14.11.2022

Interdisziplinäres Kreißsaalsimulationstraining

„Fehler sind erlaubt und herzlich willkommen!" Fällt dieser Satz im medizinischen Bereich, so klingt das für alle erst einmal sehr skurril. Kennt man allerdings den Hintergrund, so wird klar, dass Fehler wichtig sind, um daraus zu lernen - gerade im Kontext von Trainingseinheiten, wie jetzt beim Kreißsaalsimulationstraining am Klinikum St. Marien Amberg.
Mehr als 1.500 Kinder kommen jedes Jahr am Klinikum auf die Welt. Für manche ist der Start ins Leben allerdings etwas holprig, in seltenen Fällen treten Komplikationen bei der Entbindung auf, welche sowohl Mutter als auch Kind gefährden können. Im ungünstigsten Fall folgt ein Notkaiserschnitt.
In solch einem Fall sind die zwei wichtigsten Faktoren: schnelle Reaktion und gute Kommunikation. Es muss kompetent und zügig gehandelt werden, was nur möglich ist, wenn eine gute Absprache zwischen den beteiligten Abteilungen erfolgt. „Im vergangenen Jahr mussten wir nur in sehr seltenen Fällen einen Notkaiserschnitt (0,02% aller Geburten am Haus) durchführen, um ernsthafte Folgen für Mutter und Kind zu vermeiden", erklärt Klaudyna Golkowski, die Leitende Hebamme am Klinikum. „Vor 100 Jahren sind die Mütter und viele Kinder bei einer Geburt ums Leben gekommen. Auch heute gibt es diese Notfälle zwar nach wie vor, durch den heutigen Stand der Medizin können wir diese aber sehr gut behandeln."
Dies ist unter anderem den so wichtigen interdisziplinären Trainingseinheiten zu verdanken. „Einmal im Jahr organisieren wir am Klinikum ein großes Kreißsaalsimulationstraining. Interdisziplinär heißt, es arbeiten alle zusammen, die bei einem Entbindungsnotfall zusammenarbeiten müssen: Hebammen, Gynäkologen, Anästhesisten, Pädiater, Pflegekräfte und OP-Pflegefachkräfte", so Julia Koch, Oberärztin der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin. „Jeder muss bei einem Notfall wissen, wo sein Platz ist, die richtige Diagnose muss gestellt, Hilfe schnell hinzugezogen werden."
Da die Geburtshilfe im Klinikum Amberg die höchste Versorgungsstufe gewährleistet, sind wir regelmäßig mit entsprechenden Notfällen konfrontiert. „Es ist nicht mehr ganz üblich, dass Frauen mit 25 Jahren ihr erstes Kind bekommen, wodurch die Anzahl von Risikoschwangerschaften deutlich zugenommen hat", so Golkowski. Auch Vorerkrankungen wie MS oder Herzfehler bei werdenden Müttern können heute so gut behandelt werden, sodass eine Schwangerschaft möglich ist.
„Um diese Situation gut zu managen, muss ein sehr großes Team routiniert zusammenarbeiten. Dabei darf aber nicht die Kommunikation mit der Patientin außer Acht gelassen werden, da nicht nur das körperliche Wohl von Mutter und Kind, sondern auch das seelische Befinden der Frau uns sehr am Herzen liegt", so Oberärztin Sylvia Gisbert.
Aus diesem Grund begibt sich z.B. eine Hebamme während des Simulationstrainings in die Situation der Patientin, um im Anschluss den Perspektivenwechsel in einem gemeinsamen Gespräch aufzuarbeiten und zu reflektieren. „Die Nachbesprechungen sind das Kernstück. Was lief bereits gut, was schlecht, funktionieren die Soft Skills wie Teamarbeit und Kommunikation, all das wird hier besprochen", so Oberärztin Julia Koch. „Wir decken Verbesserungspotenzial auf." Und genau deswegen sind Fehler auch willkommen.